Vereinschronik

Die Chronik

Am 15. August 1920 gründeten 31 heimatbewusste Bürger in der Bahnhofsrestauration Böller den „Gebirgstrachten-Erhaltungsverein D’Lechtaler Gersthofen“.

Der erste Gersthofer Trachtenverein: „D’Lechtaler“

Gründungsvorstand Max Wiesner

Mit der Führung wurde Max Wiesner, Zimmermann, als 1. Vorstand betraut. Als einheitliches Zeichen der Darstellung hat man sich für sämtliche Mitglieder für die Miesbacher Tracht entschieden. Bis in die neunziger Jahre vermochten einzelne Paare die alte schwäbische Tracht zu tragen.
Bereits nach zwei Jahren konnte im Kloster des Franziskanerordens eine Vereinsfahne in Auftrag gegeben werden. Dieses Vereinspanier zeigt auf einer Seite den Freiheitskämpfer Schmied von Kochel, auf der anderen Seite das Bayerische Wappen mit den beiden Löwen. Die Fahnenweihe fand am 01. Juli 1922, trotz Inflation, mit einem Festzug unter großer Anteilnahme der Bevölkerung und vielen Vereinen statt. Als Pate fungierte der Nachbarverein Alpenrose-Stamm aus Augsburg / Oberhausen.

Entstehung eines zweiten Vereins

Im Jahre 1925, am 29. August, entstand durch Männer aus dem Oberland, insbesondere aus dem oberbayerischen und berchtesgadener Raum, die sich aus beruflichen Gründen in Gersthofen niederließen, ein weiterer Verein. Dessen Ursprung war eine Theater- und Laienspielgruppe. Die Heimat des Gründungsvorstandes Georg Steinbeißer sen. lag am Fuße des Wendelsteins, weshalb der Verein „Theater- und Volkstrachtenverein D’Wendelstoaner“ benannt wurde.
Nach einigen Jahren seines Wirkens erstand auch dieser Verein eine Fahne, welche auf einer Seite die Gersthofer Pfarrkirche Stankt Jakobus und auf der anderen Seite den Berg „Wendelstoa“ trägt. Die Fahnenweihe erfolgte am 12. Mai 1929 mit einem Fest und starker Beteiligung von anderen Trachtenvereinen. Pate stand der Bruderverein „D’Schlierseer“ aus Augsburg / Lechhausen.

Zusammenschluss beider Vereine mit Vorstand Anton Almer

Zehn Jahre wirkten die beiden Vereine nebeneinander. Endlich, am 03. Februar 1935, erfolgte der längst fällige Zusammenschluss beider Vereine. Man gab sich eine gemeinsame Satzung und den Namen „Heimat- und Volkstrachtenverein Gersthofen, gegründet 1920“. Zum 1. Vorstand wurde Anton Almer gewählt. Der Verein blieb weiterhin Mitglied des Altbayrisch-Schwäbischen Gauverbandes.

Zum Zusammenschluss beider Vereine stellten die Gersthofer Trachtler 1935 vor der Pfarrkirche St. Jakobus erstmals einen Maibaum auf.

Erstes Gautrachtenfest nach dem 2. Weltkrieg

Nach neunjähriger, kriegsbedingter Pause (von 1941 bis 1946) stemmten die Gersthofer Trachtler, trotz schwieriger wirtschaftlicher Bedingungen, das erste Gautrachtenfest nach dem 2. Weltkrieg am 10. und 11. Juli 1948. Es fand mit einem großen Heimatabend und Festzug durch den Ort Gersthofen statt. Dieses Gaufest war bereits für das Jahr 1947 geplant, musste jedoch wegen der damals unübersichtlichen Lage verschoben werden.

Erstes Gautrachtenfest nach dem Krieg 1948 in Gersthofen

Ein eigenes Vereinsheim unter Vorstand Nikolaus Wagner

Die Wahl von Nikolaus Wagner 1948 zum 1. Vorstand war ein Glücksfall für den Verein. Seine Vision, ein eigenes Vereinsheim zu errichten wurde Wirklichkeit. Durch seine intensiven Bemühungen und Kontakte zu Dr. Paul Heisel, Direktor der Lech-Chemie Gersthofen (später Hoechst AG, heute MVV Industriepark Gersthofen) und Georg Wendler, 1. Bürgermeister der Marktgemeinde Gersthofen wurde der Grundstein für das Trachtenheim gelegt.
Das Geschenk einer Holzbaracke von der Lech-Chemie und die Zurverfügungstellung eines Grundstückes an der Siedlerstraße durch die Marktgemeinde Gersthofen sowie der fleißige Arbeitseinsatz der Vereinsmitglieder führten 1955 zur Fertigstellung des Vereinsheimes. Die Einweihung durch Ehrenmitglied Pfarrer Robert Dörflinger fand am 16. Juli 1955 statt.

Das Trachtenheim in der Siedlerstraße 1955


Wegen einer vom Gauverband unerwünschten Beteiligung der Gersthofer Trachtler anlässlich der 1000-Jahrfeier „Schlacht auf dem Lechfeld“ in Augsburg wurde der Verein vom Gauverband ausgeschlossen. Der Verein schloss sich daraufhin dem Landesverband der Trachtenbewegung an. 1967 kehrte er nach 13 Jahren wieder zum Altbayrisch-Schwäbischen Gau zurück.

Wirken des neuen Vorstands Josef Förg

1965 wurde Josef Förg zum 1. Vorstand gewählt. In seine Amtszeit fiel die Erneuerung des baufällig gewordenen Vereinsheimes. So konnte 1967 durch weiteren enormen Einsatz der Mitglieder und vielseitiger Unterstützung der Gersthofer Geschäftswelt sowie der Marktgemeinde Gersthofen die Baracke durch einen Massivbau ersetzt werden.

Die Mitwirkung bei den Festlichkeiten zur 1000-Jahrfeier der Marktgemeinde Gersthofen mit Stadterhebung im Jahre 1969 und die Ausrichtung des 50-jährigen Gründungsjubiläums des Vereins 1970 waren weitere Herausforderungen. Die Feierlichkeiten wurden mit dem Aufbau eines Festzeltes neben der TSV-Turnhalle, mit einem Heimatabend, Gottesdienst und einem Festzug durch Gersthofen begangen.

Festumzug in der Sportallee


Im Jahre 1968 entstand dann die Sängergruppe „Gersthofer Buam“, die sich im Lauf der Zeit immer wieder neu formierte und heute den Namen „Gersthofer Sänger“ führt.
Im gleichen Jahr wurde auf Initiative von Ehrenmitglied Georg Steinbeißer die Jugendarbeit intensiviert.

Die Jugendgruppe bildet damals wie heute Herz und Seele unseres Vereins


Der Besuch anlässlich der fünfjährigen Jumelage mit der Schwesterstadt Nogent sur Oise in Frankreich war 1975 ein unvergessliches Erlebnis, das später zu Wiederholungen führte. Auch der Heimatabend beim „Hoechster Schlossfest“ 1982 in Höchst / Frankfurt am Main war ein voller Erfolg, ebenso die Teilnahme bei der Feier zum 100jährigen Bestehen der Trachtenbewegung 1983 in München mit 23.000 Teilnehmern und ca. 130.000 Zuschauern.

Schuhplattler auf dem Rathausplatz in Nogent-sur-Oise

Die Ära Gerhard Mögele

1983 übernahm Gerhard Mögele als 1. Vorstand die Führung des Vereins. Zeitgleich entstand die Partnerschaft mit dem Musikverein Spay am Rhein. Es fanden gegenseitige Besuche mit zünftigen Heimatabenden statt.
Einer Mögeles Schwerpunkte war die Renovierung des Vereinsheimes in den Jahren 1982/83, 1996 bis 1999 und 2006/07. Außerdem waren drei große Festlichkeiten während seiner Amtszeit auszurichten:
1991: Die Durchführung des 63. Gautrachtenfestes des Altbayrisch-Schwäbischen Gauverbandes. Der Heimatabend im Festzelt, vor allem aber der farbenprächtige Festzug vom Festplatz zur Pfarrkirche Sankt Jakobus und wieder zurück mit über 2.500 Mitwirkenden, bleiben in bester Erinnerung.
1995: Die Ausrichtung eines Jubiläums-Heimatabends anlässlich des 75jährigen Bestehens des Vereins, erstmals in der neuen Stadthalle.
2000: Das 80-jährige Gründungsfest mit einer 14tägigen Bilder- und Trachtenausstellung im Rathaus Gersthofen.

Vielseitiges Vereinsleben

1994 wurde zur Sicherung der Gemeinnützigkeit die Vereinssatzung neu gefasst. Seit 1996 werden in unregelmäßigen Abständen Klausuren abgehalten, um die Ausrichtung des Vereins aktuell zu strukturieren.
Mit einem ersten „Hoigarta“ 1999 im Ortsteil Batzenhofen konnte ein neuer Interessentenkreis erschlossen werden. Weiter nahm der Verein in den Jahren 1998, 2000 und 2002 an den Aufführungen der Freilichtbühne „Der Bayerische Jedermann“ des Theaters Gersthofen teil.
Einige Buam und Deandl des Vereins fanden sich im Jahr 2000 – aus Begeisterung am Schnalzen – zu einer stattlichen Goaßlschnalzer-Gruppe zusammen, die im Oktober 2001 ihren ersten öffentlichen Auftritt in der Stadthalle Gersthofen hatte und heute zum Repertoire des Vereins zählt.
Ein wichtiger Schritt in Richtung Öffentlichkeitsarbeit erfolgte 2002 mit dem Auftritt des Vereins im Internet.
Mögeles Vorlieben galten der Pflege von Laienspiel, Saitenmusik, mundartlichem Liedgut und Volkstanz. Insbesondere förderte auch er die Jugendarbeit. Als Anerkennung für seinen jahrzehntelangen Einsatz wurde Gerhard Mögele 2007 zum Ehrenvorstand ernannt.

Vielseitige Herausforderungen für neuen Vorstand

Als Nachfolger wurde Armin Hoppmann als 1. Vorstand mit der Leitung des Heimat- und Volkstrachtenvereins Gersthofen betraut. Seine ersten Einsätze gingen dort weiter wo der letzte Vorstand aufhörte, nämlich bei den Sanierungsmaßnahmen des Vereinsheims. Insbesondere Heizungsanlage mit Öllager, Tanzbodenerneuerung, Dachreparatur und die Errichtung eines Materialcontainers für Trachtenutensilien wurden umgesetzt.

In dieser Zeit gab es bereits internationale Auftritte in Österreich, Polen und Frankreich, auch im Rahmen des internationalen Jugendaustausches.
Hoppmanns erste Herausforderung war jedoch die Ausrichtung des vorgezogenen 90. Gründungsjubiläums des Vereins, verbunden mit dem 80. Gautrachtenfest des Altbayrisch-Schwäbischen Gauverbandes am 22. und 24. Mai 2009. Geschickterweise konnten die Festlichkeiten mit dem 40jährigen Stadtjubiläum Gersthofens zusammengelegt werden. Nach einem Festakt der Stadt Gersthofen, insbesondere für die französischen Gäste aus der Partnerstadt Nogent sur Oise, erfolgte der Einzug aller Teilnehmer in das Festzelt zu einem großen Heimatabend mit anschließendem Feuerwerk. Am Sonntag war das herausragende Ereignis der Festzug auf der Augsburger-/Donauwörther-Straße von Gersthofen mit etwa 2800 Teilnehmern.

Als im Jahr 2011 das neue Stadtfestival „Kulturina“ das in die Jahre gekommene Bürgerstraßenfest ablöste, war der Trachtenverein als einer der ersten Gersthofer Vereine von Beginn an mit dabei. Im eigenen Stand wurden bayrische Schmankerl angeboten, welche sich über die Jahre zum Verkaufsschlager entwickelten. Die nach eigenem Rezept kreierten bayrischen Leberkäs-Burger wurden stadtbekannt. Zum Höhepunkt der Festlichkeiten zählte der Auftritt aller Gruppen des Trachtenvereins auf der Hauptbühne am Rathausplatz, wo hunderten Zuschauern das bayrische Brauchtum präsentiert werden konnte.

Modernisierung und Satzungsänderung


Bei einer Klausurtagung am 9. und 10. März 2013 in der Klaushütte in Muttershofen wurden die Ausrichtung, insbesondere die Aufgaben, Rechte und Pflichten der Vorstandschaft, die Leitlinien für das Vereinsleben und die Erhaltung des Vereinsheimes neu definiert. Dies führte auch zu einer Überarbeitung der Satzung und weiteren Verträgen sowie zur Klärung der endgültigen Besitzverhältnisse des Grundstückes und Gebäudes (Trachtenheim). Mit seinem Auftritt in den neuen Sozialen Medien konnte der Trachtenverein seine Mitglieder und Interessenten von nun an leichter am Vereinsleben teilhaben lassen.

Erfolge beim Wertungsplattln und überregionale Bekanntheit

Als 2014 das Gaufest in Königsbrunn gefeiert wurde, konnte mit dem 15-jährigen Maximilian Riedl erstmals ein Gersthofer Trachtler den ersten Platz beim Preisplattln der Gausieger um den Bayrischen Löwen des Ministerpräsidenten gewinnen. In den folgenden Jahren konnten die Gersthofer sich mehrmals in der Gruppenwertung für den Bayrischen Löwen, an dem auch viele Trachtler aus aller Welt teilnehmen, qualifizieren.

50 Jahre nach der Stadterhebung wurde im Juni 2019 in Gersthofen eine ganze Festwoche ausgerichtet, an der sich viele Ortsvereine beteiligten. Beim großen Festumzug waren die Gersthofer Trachtler mit 70 Aktiven & Jugendlichen Zugteilnehmern nach der Freiwilligen Feuerwehr, die Ihr 150. Gründungsfest feierte, die zweitgrößte Zuggruppe.

Zum Abschluss der Festwoche durfte der Trachtenverein im Namen des Gauverbands im Festzelt selbst zum Ausrichter des Bayrischen Löwen werden. Beim „Finale Dahoim“ konnte mit dem siebten Platz das beste Ergebnis in der Vereinsgeschichte erzielt werden. Durch mehrere Berichte des Bayrischen Fernsehens über die Vorbereitungen und den Ablauf des Preisplattlns konnte enorme überregionale Bekanntheit geschaffen werden.

Planung und Absage des 100-jährigen Vereinsjubiläums

Für das 100-jährige Gründungsjubiläum hatte sich die Vorstandschaft etwas ganz besonderes überlegt. Vom 21.-24. Mai 2020 sollte ein großes Festwochenende stattfinden. Nach zwei Jahren Vorbereitung und unzähligen Arbeitsstunden sollten in den vier Tagen ein Schafkopfturnier, ein Festheimatabend, die Gersthofer Rocknacht und zum großen Abschluss das Gautrachtenfest mit großem Umzug stattfinden. Als Leitspruch des Jubiläums wählte man: „Heimat lebt, weil Brauchtum lebendig ist.“

Doch leider wurden alle Hoffnungen und Pläne durch den Ausbruch der Corona-Pandemie zunichte gemacht. So feierten die Mitglieder des Gersthofer Trachtenvereins das Gründungsjubiläum unter Einhaltung sämtlicher vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen am 15. August 2020 nur intern und im kleinen Rahmen. Auch die Ersatztermine für das Festwochenende im Mai bzw. Oktober 2021 mussten aufgrund des unkontrollierbaren Infektionsgeschehens abgesagt werden.

Aufbruch unter neuer Führung

Nach Absage des Jubiläums richteten die Gersthofer Trachtler ihren Blick auf die Zukunft. Auf einer weiteren Klausurtagung der Vorstandschaft in Muttershofen wurde die Ausrichtung des Vereins besprochen, nachdem Armin Hoppmann angekündigt hatte, sein Amt abzugeben. So wurde nach über 100 Jahren Vereinsgeschichte mit Christine Pfiffner erstmals eine Frau zur 1. Vorständin gewählt.

Christine Pfiffner wurde 2021 zur ersten weiblichen Vorsitzenden gewählt.

Patenvereine des Heimat- und Volkstrachtenverein Gersthofen

Alpenrose-Stamm, Augsburg/Oberhausen (mittlerweile aufgelöst)
D`Schlierseer, Augsburg / Lechhausen
Heimat- und Volkstrachtenverein Haunstetten
Schmuttertaler Gablingen

Vorstände des HVTV Gersthofen von 1920 bis heute

1920 – 1935: Max Wiesner („D’Lechtaler“ Gersthofen)
1925 – 1935: Georg Steinbeißer sen. („D’Wendelstoaner“ Gersthofen)
1935 – 1948: Anton Almer
1948 – 1965: Nikolaus Wagner
1965 – 1983: Josef Förg
1983 – 2007: Gerhard Mögele
2007 – 2021: Armin Hoppmann
2021 – heute: Christine Pfiffner

Erstellt von Jana Henkel / Sebastian Pfiffner

Stand 07. März 2022